Öffentliche Anhörung zur Ausführung des umstrittenen Prostituiertenschutzgesetzes im Sächsischen Landtag: Kritik von Aktionsbündnis „Finger weg!“ zu erwarten

08. Februar 2018

Die Umsetzung des bundesweit umstrittenen Prostituiertenschutzgesetzes stellt Dresdner Massagestudios vor das Aus. Gemeinsam haben betroffene Studios das Aktionsbündnis „Finger weg!“ gegründet, um gegen die drohende Schließung und für den Erhalt der Massagevielfalt in Dresden zu kämpfen. Am 9. Februar findet eine öffentliche Anhörung zum Gesetz im Sächsischen Landtag statt. Auch Vertreter des Aktionsbündnisses sind als Sachverständige eingeladen und werden sich kritisch zu Wort melden.

Das Prostituiertenschutzgesetz ist seit Juli 2017 auf Bundesebene beschlossen. Die Umsetzung auf Landesebene wird über das so genannte Ausführungsgesetz* geregelt, über das derzeit die Fachausschüsse im Sächsischen Landtag beraten. Am Freitag, den 9. Februar findet ab 10 Uhr eine öffentliche Anhörung  im Landtag (Raum A 600)

statt, an der jeder interessierte Bürger mit Personalausweis teilnehmen kann und bei der auch externe Sachverständige sprechen werden. Zuständiger Ausschuss ist der Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration. Von Seiten des Aktionsbündnisses werden Masseurin Ulrike Henkert sowie der Dresdner Paar- und Sexualtherapeut Dr. Frank Pietzcker vor dem Ausschuss sprechen und die Standpunkte des Aktionsbündnisses vertreten. Außerdem sind nach Wissen von Sinnesart (nicht offiziell bestätigt) folgende Instituionen vor Ort: KOBRAnet (Fachberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel), Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen e. V. (Stephanie Klee), Gesundheitsamt Leipzig und Gesundheitsamt Dresden.

Kritikpunkte des Aktionsbündnisses am Gesetz 

  • Wegfall eines wichtigen gesellschaftlich-kulturellen und finanziellen Beitrages: Beispielsweise bietet das Studio Sinnesart  als„Zentrum für Berührungskunstseit“ seit 15 Jahren sinnliche Massagen an. Die Angebote werden mittlerweile von Ärzten, Therapeuten und anderen Berufsgruppen empfohlen, weil Ganzheitlichkeit und wohltuende und förderliche Aspekte im Vordergrund stehen. Massagegäste sind Singles wie Paare sowie Frauen und Männer jeden Alters aus ganz Deutschland und dem Ausland.
  • Arbeitslosigkeit: Durch die Schließungen der betroffenen Massagestudios verlieren etwa 80 Masseurinnen und Masseure teilweise oder ganz ihre Existenzgrundlage und müssen mit Steuergeldern unterstützt werden. Außerdem gehen dem Staat erhebliche Steuereinnahmen verloren.
  • Stigmatisierung: Die verbleibenden Masseurinnen und Masseure, die gut ausgebildet sind in der Kunst der Massage und keinen Sexualverkehr anbieten, müssen sich dennoch als „Prostituierte“ registrieren und damit stigmatisieren lassen.
  • Zunehmende Illegalisierung: Existieren die Studios nicht mehr und können daher Dresdner Masseurinnen und Masseure nicht mehr legal in ihrer Stadt arbeiten, stellt sich die Frage, wer künftig diese Lücke schließt. Es ist zu befürchten, dass zweifelhafte und intransparente Angebote auf den Markt drängen, die unserer Stadt eher schaden.

Forderungen des Aktionsbündnisses

Das neue Bundesgesetz kann vorerst nicht verändert werden, aber es gibt Spielräume für kommunale Entscheidungen. Wir fordern deshalb die Entscheidungsträger auf, verschiedene Lösungsansätze zu prüfen und uns in die Überlegungen einzubeziehen.

  1. Die Sperrgebietsverordnungen der verschiedenen Landesdirektionen müssen überarbeitet werden und Standorte zum Ausüben unseres Gewerbes vorsehen: Neben dem eigentlichen Sperrgebiet gibt es in Dresden die „Umkreisregelung“. Diese besagt, dass sich im Umkreis von 200 Metern um ein Studio keine sozialen Einrichtungen, Kirchen, Schulen, Kindergärten, Altenheime, Friedhöfe u.ä. befinden dürfen. Das macht es de facto nahezu unmöglich, für ein Studio die künftige Erlaubnis zum Betreiben zu erhalten. Legal existieren dürfen dann „Eros-Center“ in Gewerbegebieten am Stadtrand, was für uns und unsere Gäste keine Alternative darstellt. 
  2. Wir fordern, dass die Kosten nicht auf MasseurInnen und Betreiberinnen abgewälzt werden: Geplant sind Kosten für die Konzession sowie für die Zwangsberatungen der MasseurInnen. Die Einnahmen der Massagestudios sind nicht vergleichbar mit denen von Prostitutionsbetrieben. Wir sind regulär gewerblich bzw. freiberuflich angemeldet und zahlen Steuern. Zusätzliche Kosten könnten es erforderlich machen, die Preise anzuheben oder die Studios zu schließen.
  3. Wir fordern, dass unsere Angebote neu bewertet werden und die Registrierungspflicht entfällt: Mit dem neuen Gesetz sollen SexarbeiterInnen vor Ausbeutung und Zwangsprostitution geschützt werden, deshalb müssen sie sich als Prostituierte registrieren lassen. Dieser Fakt ist an sich schon fragwürdig, denn um kriminellen Handlungen entgegenzuwirken, gibt es bereits ausreichende Gesetze. Die Stigmatisierung eines ganzen Berufszweiges gab es zum letzten Mal in einem der finstersten Kapitel deutscher Geschichte, der Nazizeit. Hinzu kommt, dass es in unseren Studios niemanden gibt, der geschützt werden müsste, und dass wir keinen Sexualverkehr anbieten. Der Grad an Selbstbestimmung und Freude ist höher als in den meisten anderen Berufen.

Hintergrund zum Aktionsbündnis Finger weg!

Grund für die existenzbedrohene Lage der Massagestudios ist das neue Prostituiertenschutzgesetz. Mit dem neuen Gesetz werden Sinnliche Massagen per se als „sexuelle Dienstleistung“ (= Prostitution) definiert – auch, wenn bei allen Angeboten kein Sexualverkehr stattfindet. Das hat Folgen: Um die Studios weiter zu betreiben, wird künftig eine Genehmigung benötigt. Diese erteilt die Stadt Dresden aber nur, wenn die Studios außerhalb des Dresdner Sperrgebietes liegen und sich außerdem im Umkreis von 200m keine Kindereinrichtungen, Altenheime, Friedhöfe u. ä. befinden. Gerade die zweite Bedingung ist das Todesurteil für die Massagestudios und wird sinnliche Angebote  aus Dresden verbannen. Nirgends sonst wird das Sperrgebiet so streng gehandhabt wie in Dresden. In Berlin gibt es beispielsweise gar keines.

Um gegen die drohende Schließung und für den Erhalt der Massagevielfalt in Dresden zu kämpfen, hat sich Sinnesart mit anderen Dresdner Massagestudios zu einem Aktionsbündnis zusammengeschlossen. Sie suchen die breite Öffentlichkeit, um sich Gehör zu verschaffen und gemeinsam Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten. Dies erfolgt beispielsweise über eine Petition. Das Bündnis fordert darin eine Regelung, damit ihre Massage-Angebote weiterhin friedlich neben anderen Institutionen existieren dürfen. Diese Regelung möchte das Bündnis durchsetzen, bevor die Ausführung des Prostituiertenschutzgesetzes im Frühjahr vom sächsischen Landtag beschlossen wird. Sprecherin ist Katrin Laux, die Inhaberin von Sinnesart.